13. September 2012

P. O. BOX (15): EIN WASSERSCHWEIN GEHT SEINEN WEG

Esch-am-See. Keine Frage! Für ein dickliches Nagetier ohne akademische Würden, das am liebsten den ganzen Tag mit dem Allerwertesten im Schlamm hockt und mit seinen schmalen Schweinsäuglein die Sonne anblinzelt, hat unser Freund, das Wasserschwein, es schon ziemlich weit gebracht. Neuerdings, und das seit nicht weniger als zwei Monaten, hat der struppige Kerl sich nicht nur auf Platz 1 der nationalen Bestsellerliste – für die Analphabeten, Abiturlosen und sonstigen Durchschnittsesser unter uns: das ist die monatlich zusammengestellte Hitparade der Buchtitel, die sich in den jeweils vergangenen vier Wochen hierzuländchen am besten verkauft haben (oder am fleißigsten geklaut wurden) – breit gemacht, nein, noch neuerdingser, um nicht zu sagen: am neuerdingsten hat der stachelige Geselle es sogar zu universitären Ehren gebracht. Jedenfalls werden Herr Chigüire und sein Leib- und Magenblatt, die hier vor Ihren Augen, liebe Leserin, ausgebreitete Capybara Gazette, derzeit lang und breit in einer im Saarbrücker Universitätsverlag veröffentlichten Aufsatzsammlung gewürdigt. ¡Enhorabuena, Señor! Aber aufgepasst und nicht zu früh gefreut! Zwar glänzt der Verfasser besagten Artikels mit etlichen exquisiten Ansichten und nicht weniger hochmögenden Formulierungen, doch in einer Hinsicht irrt der kluge Schreiberling gewaltig. Und zwar in jenem klitzekleinen und deshalb leider allzu leicht zu überlesenden Absatz, in dem er Ihren, liebe Leserin, Nothelfer und Trostspender, der Ihnen, liebe Leserin, so oft mit promptem Rat und allerzärtlichsten Streicheleinheiten zur Seite springt, wann immer Sie, liebe Leserin, diese Dienste erwünschen, ... also ..., wo war ich stehen geblieben? Ach ja, besagter Skribent wird in besagter Publikation von besagtem Spezialisten doch tatsächlich als ... halten Sie sich jetzt ganz fest fest, liebe Leserin! ... als Unterhaltungsschwein hingestellt. Nicht zu fassen, nicht wahr! Eine Frechheit, oder finden Sie nicht? Denn in Wirklichkeit und Wahrheit hält sich Ihr Diener, liebste Leserin, seit Jahren – und das mit allem Fug und Recht – für nicht weniger als eine ... ausgewachsene ..., wie soll man sagen? ... eine vollentwickelte ... RAMPENSAU! Von wegen Unterhaltungsschwein! Verstehen Sie nun Mister Capybaras Wut? Seine Enttäuschung auch. Oder soll er sich nicht eher dick und fett was darauf einbilden und vor Freude einmal kräftig pupsen, wenn er als Großferkel des literarischen Entertainments hingestellt wird, als Obereber des bibliophilen U-Betriebs? Denn was kann es, ehrlich gesagt, Schöneres geben, als Sie, liebe Leserin, mit Geschreibsel wie diesem nach Strich, Punkt und Komma zu erfreuen und zu erheitern, zu belustigen und zu belehren, zuweilen zu belästigen und Ihr Herz zu beschweren?Denn wie sagte schon Christian Kracht, als er neulich im Großherzogtum weilte – und der schwerenötrige Provokateur muss es schließlich wissen: „Eigentlich geht es mir nur darum, mein Publikum zu unterhalten.“ Des blechernen Capybara-Ordens am Band für erfolgreichen Forscherbeschiss darf sich das intelligente Bürschchen aus der Schweiz jedenfalls gewiss sein. Und vielleicht trifft man sich ja mal unter südamerikanischer Sonne, in der eigentlichen Heimat von unsereins, mit dem Hintern im stinkenden Sumpf dösend und hochnäsig den großen Feuergott anhimmelnd.