18. Dezember 2009

OP DER RULL (5)

Vor kurzem hat Capybara begonnen, sich äußerst unbeliebt zu machen. Und zwar nachts. Dann nämlich schnarcht Capybara seit neuestem ganz fürchterlich. Nicht nur extrem laut, sondern überdies in variablen Klangfarben, die von rollendem Röcheln bis zu krächzendem Gewürge reichen. Das wurde Capybara jedenfalls berichtet, denn selbst hört er sich natürlich nicht schnarchen, weil er dann schläft oder möglicherweise von seinem eigenen Geschnarche schon wach geworden ist, im selben Moment aber mit dem Schnarchen aufgehört hat, dann eben nicht mehr schläft und folglich auch keine unkontrollierten Geräusche mehr von sich gibt.
Sei’s drum, das Jahresende naht, und wie immer um diese Zeit gerät Capybaras Leben für eine Weile ziemlich aus dem Lot. Mal holt er sich, regelmäßig ab Mitte Dezember, eine Erkältung oder sonst eine rätselhafte Infektion, mal zieht er sich eine Muschel-, mal eine Marzipanvergiftung zu, entweder streikt plötzlich sein Computer oder in seiner Höhle fallen gleichzeitig sämtliche Lichter aus. Dieses Jahr nun sind es besagte Schnarchattacken, die auch noch seine Allerliebste Nacht für Nacht von seiner Seite vertreiben, wüsteste, aber durchaus berechtigte Beschimpfungen auf ihn niederprasseln lassen und ihm tagelang ein miserables Gewissen bescheren.
Längst hat Capybara einen schlimmen Verdacht: Schuld an dem ganzen Ärger ist der Weihnachtsmann. Weihnachtsmänner, davon ist Capybara mittlerweile fest überzeugt, sind die natürlichen Feinde der Wasserschweine. Aber warum bloß?
Da seine falschbärtigen Gegenspieler das Feld nicht freiwillig räumen werden, geht Capybara für einmal mit gutem Beispiel voran. Schon vor Wochen hat er sich ein Flugticket besorgt und ein Visum in seinen Pass stempeln lassen; in wenigen Tagen wird er sich ins Café Noufara setzen und den Damaszenern mit einem „qahwa“ zuprosten. Das hört sich doch verlockend an. „Qahwa siadeh“, „masbut“ oder „arrika“ – stark, mäßig oder wenig gesüßter Kaffee im Schatten der Omaijaden-Moschee, im wohl berühmtesten und malerischsten Café der Damaszener Altstadt. Geschichtenerzähler und Flötenspieler soll es dort geben; ihre Stimmen und Töne werden auch noch den lautesten Schnarcher übertrumpfen, falls es denn überhaupt so weit kommt, dass Capybara in orientalischer Umgebung einfach mal so ein Nickerchen hält. Viel wahrscheinlicher ist, dass Wasserschweine sich gerne mit Wasserpfeifen vergnügen, zwischendurch ein Eckchen „baklawa“ naschen und inmitten des Blubberns und Kauens die doofen Kläuse einfach vergessen. Ab Anfang Januar dann hat Capybara für elf Monate wieder Ruhe zuhause. Sofern endlich Schluss ist mit seinem unsäglichen, unerträglichen Geschnarche.

© Georges Hausemer

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