26. November 2011

P. O. BOX (11): PEINLICH!

Esch-au-Lac. Heute im TAGEBLATT: die Ankündigung der „Soirée Edmond Dune“ am kommenden Montag im Espace H2O in Oberkorn. Bei dieser Gelegenheit werden, laut viertelseitiger Anzeige, u. a. Nathalie Ronvaux und ein gewisser „Norbert Schlechter“ Auszüge aus dem Werk Dunes vortragen. Norbert Schlechter?
Oh wie peinlich! Zumal besagte, na ja, Verwechslung, nicht auf die Kappe eines der nach eigenen Aussagen stets überforderten Kulturredakteure besagter Zeitung geht, sondern von den Veranstaltern selbst zu verantworten ist. Also von der Stadt Differdingen und dem daselbst angesiedelten Verlag, in dem zahlreiche Werke sowohl von Edmond Dune als auch von LAMBERT Schlechter erschienen sind. Schade bloß, dass man bei den Editions Phi seine Autoren nicht einmal beim Namen zu kennen scheint. Und sich auch sonst nicht eben durch Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit im Umgang mit diesen Autoren, deren Manuskripten und Büchern hervortut. Erst gestern hat die Kritikerin des LËTZEBUERGER LAND eine Besprechung des neuen Gedichtbandes von Léon Rinaldetti veröffentlicht und dem inzwischen im Editpress-Schiff mitsegelnden Verlag in geharnischten Worten „Oberflächlichkeit und Lieblosigkeit“, dreiste Lügen, schlechte Scherze und „pure Ignoranz“ vorgeworfen.
Auch dem zweiten Veranstalter des Dune-Abends ist solche Geringschätzung der Luxemburger Literatur keineswegs fremd. Unlängst fand im Espace H2O nämlich eine Lesung statt, zu deren Beginn eine Vertreterin der örtlichen Kulturkommission trotz intensiven Nachdenkens partout nicht auf den Namen des einheimischen Schriftstellers kommen wollte, der persönlich genau vor ihr saß und als lesender Gast eingeladen war. Eigentlich hätte sich der „namenlose“ Autor in diesem Moment erheben und den Veranstaltungsort auf der Stelle verlassen müssen.
Aber diesen skandalösen Umgang mit ihrer Arbeit und ihrer Person sind die luxemburgischen Kulturschaffenden ja längst gewohnt. Man erinnere sich an den beschämenden Zwist zwischen der Escher Gemeinde und Serge Tonnar und seiner Band Legotrip anlässlich des diesjährigen Terres Rouges-Festivals. Man denke einmal kurz über den Edward-Steichen-Förderpreis nach, den diese Woche Claudia Passeri erhielt und über den, unter dem verräterischen Titel „Les petits Luxos“, gestern im LAND ebenfalls eine hochinteressante Notiz zu lesen war.
Aber ganz gleich, wer sich wo und wie oft darüber ärgert – der unter unseren Kulturfunktionären und sonstigen selbsternannten Kulturverwaltern grassierenden Inkompetenz ist offenbar durch nichts und niemanden Einhalt zu gebieten.
 © Georges Hausemer

25. November 2011

PULP PICTURE (1): „TONIGHT, YOU WILL DANCE!“

 
Leuk, Wallis, Schweiz am 28. Oktober 2011
© Georges Hausemer

22. November 2011

Hirtenbrief an die Hinterwäldler / Von Jérôme Netgen

Hat Professeur Frank Wilhelm, der große Frankophile unter den Frankophonen, der große Frankophone unter den Frankophilen, der emsige Fußnotenforscher im Weinberg der Grande Nation, etwa nicht mehr alle gestreiften Murmeln im Sack?

Oder wie sonst muss man folgende Aussage verstehen, die auf dem Blog des Schriftstellers Georges Hausemer (da sollte man ab und zu mal reinschauen, auch wenn der gute Georges es in letzter Zeit – ich vermute, seit er der italienischen Küche recherchehalber frönen musste – etwas ruhiger angehen lässt; mehr unter www.georgeshausemer.com) aufgegriffen wurde? Entnommen ist sie der französischsprachigen Wochenzeitung Le Jeudi, Ausgabe vom 10. November, Seite 7. Dort steht das Zitat, das alle Hinterwäldler hierzulande in ihre Schranken verweisen dürfte: „Quand le petit Luxembourgeois s’exprime en allemand, il entre dans une maison de plain-pied, située dans sa rue. Quand il parle français, il s’ouvre au monde.“

Für die Ungebildeten lautet meine Übersetzung wie folgt: Daheim Sägemehl fressen und draußen Bretter scheißen, das geht nicht! Roll over, Batty Weber!! … ENTWEDER bräsiges Rumhocken unterm Hirschgeweih ODER „Die Welt“!! … ENTWEDER Klein-Klein in der Mundart-Hölle ODER die sturmgepeitschten Höhen des „Citoyen du Monde“!! … Entweder ihr hobelt weiterhin auf Deutsch, meine lieben Luxis – schlimmer noch: in eurem ermüdenden Patois, das keine Sau versteht, geschweige denn liest –, oder ihr macht endlich den längst fälligen Antrag auf Vollmitgliedschaft in der Zivilisation. … C’est comme ça!

Denn dies ist nicht irgendein Hallodri aus Dünnpfiff-les-Bains, wie ein (leider deutscher) Satiriker Luxemburg-Stadt und ähnliche Parvenü-Metropolen gerne zu nennen pflegt, neiiin, es handelt sich hier um le Professeur Wilhelm, weltumspannende Autorität zum Thema Victor Hugo und die Geburt des Viandener Nussmarktes aus dem Geiste der Revolution (ich zitiere frei aus dem Gedächtnis und dummerweise erneut auf Deutsch, weil die Geisteshöhen, zu denen Professeur Wilhelm sich gemeinhin aufschwingt, eine Sprachkenntnis voraussetzen, die ich als bastardisierter Frankophoner natürlich nicht besitzen kann. Gerne gebe ich auch zu, dass ich das Buch nicht zu Ende gelesen habe!).
So wie die Iren, wenn sie in der Diaspora leben, immer irischer sein wollen als die Daheimgebliebenen auf der Insel, so sind die französelnden Frankophilen, wenn sie petits Luxemburger sind, immer französischer als die Franzosen in ihren französischsten, will sagen: authentischsten Momenten des gepflegten, ungehemmten Franzosentums. Vous me suivez ?

Ich für meinen Teil möchte sie nicht vermissen, die Culture aus Fronkraich, auch ¬¬ wenn ich mir am Thüringer-, pardon, ‘Lëtzebuerger-Grillwurscht’-Stand mitunter die Frage stellen muss, wie ich diesen Anblick mit meinen hohen Selbstansprüchen und Umgangsformen à la française in Deckung bringen kann. Aber diese Luxemburger Schizophrenie ist natürlich das Problem Luxemburger Schizophrener, also ein Minderheitenproblem durch und durch, und das tut man im Weinberg der Grande Nation gemeinhin mit Achselzucken quittieren.

Immerhin: die Schweiz-geborene Madame de Staël war, zweihundert Jahre vor Professeur Wilhelm, schon etwas weiter in ihrer freimütigen Akzeptanz der eigenen Schizophrenie und hat sich, soviel weiß ich, von Geheimrat Goethe auf dem west-östlichen Diwan kräftig becircen lassen. Na gut, Goethe war ein viriler Weltbürger mit Charme, gewissermaßen ein Dominique Strauss-Kahn mit Wadenstrümpfen, und nicht irgendein sale boche, wie man ihn aus „La Grande Vadrouille“, dem Lieblings-Nouvelle-Vague-Film aller frankophilen Intellektuellen und bestimmt auch von Frank Wilhelm, kennt. Und außerdem hatte er Diderot und Corneille übersetzt, war also mit Kultur bereits in Berührung gekommen.

Mich jedenfalls beschleicht das ungute Gefühl, dass einige von unseren möchtegernigen Franzosen auch nichts weiter als „les banlieusards de la littérature française“ sind, wie Léon Bloy über die Belgier richtete, und dass sie es insgeheim sogar ahnen (das ist ihre eigene kleine mickrige Schizophrenie unterm Hirschgeweih, und sie tun mir echt leid dafür!).

© Georges Hausemer

P. O. BOX (10): FUNKTIONIERENDE FUNKTIONÄRE

Esch-au-Lac. Also geht doch! So stellt man sich das Werken und Wirken unserer Volksdiener in den Ministerien im Idealfall doch vor, nicht wahr? Kaum hat sich ein Bürger – in diesem Fall ein Kolumnist aus der höchst unregelmäßig, aber dafür nicht mit weniger Leidenschaft erscheinenden „Capybara Gazette“ – mit einem Wunsch oder sonst einem Anliegen zu Wort gemeldet, schon sputen sich die Herrschaften, was das Zeug hält.
So geschehen in der vergangenen Woche. Da hatte besagter Kolumnist es gewagt, sich in einer kurzen, beiläufigen und daher als Postskriptum getarnten Anfrage an das hiesige Kulturministerium zu wenden und unterwürfigst sein Begehren zu formulieren, und wenige Tage später wurden die stets mit Spannung erwarteten Resultate des nationalen Literaturwettbewerbs auch schon publik gemacht (siehe hierzu auch die Notiz „Poésiemanie“ im Lëtzebuerger Land Nr. 46 vom 18.1.2011). Gratulation, die Herrschaften!
Zwar bleiben, wie könnte es anders sein, weiterhin viele andere Fragen, die ein bescheidener Kolumnist sich den lieben langen Tag und auch manche Nacht lang stellt, weiterhin offen. Doch für einmal wollen wir nicht so sein! Stattdessen soll an dieser Stelle, im Namen des besagten Kolumnisten, der schieren Begeisterung darüber Ausdruck verliehen werden, dass die zuständigen Beamten endlich und für einmal das geleistet haben, wofür sie, verdammt nochmal, fürstlich, pardon, großherzoglich, entlohnt werden. Und das jeden Monat, nicht nur zur Weihnachtszeit.
Weiter so! Noch schweigen die Fische im dreckigen Teich ...

© Georges Hausemer

13. November 2011

P. O. BOX (9): KLEINE, DUMME LUXEMBURGER

Esch-au-Lac. Dieser Tage erschien in der Wochenzeitung „Le Jeudi“ (vom 10. November 2011) ein Dossier über die Rolle und Bedeutung der französischsprachigen Zeitungen in der luxemburgischen Presselandschaft der letzten hundert Jahre. Darin war ein Satz zu lesen, der merkwürdigerweise bislang noch nirgendwo kommentiert oder auch nur erwähnt wurde. Der Satz, ein nicht näher erläutertes und auch nicht mit Quellenangaben versehenes Zitat, lautet: „Quand un petit Luxembourgeois s’exprime en allemand, il entre dans une maison de plain-pied, située dans sa rue. Quand il parle français, il s’ouvre au monde.“
Ein äußerst bedenklicher, problematischer, eigentlich unerhörter Satz. Unterstellt er doch, kurz gesagt, all jenen einheimischen Autoren, die nicht Französisch, sondern „nur“ Deutsch (und eventuell Luxemburgisch) schreiben, bis heute im Provinziellen stecken geblieben zu sein. Während nur jene Landsleute, die sich wie Molière, Sartre und Houellebecq auszudrücken pflegen, imstande seien, ihre kleine, enge und, so das „sous-entendu“, intellektuell beschränkte Heimat zu verlassen, sich der Fremde zu öffnen, kosmopolitische Gesinnung zu zeigen.
Gelinde gesagt: eine Frechheit! Zumal sie aus der Feder von jemandem stammt, der eigentlich wissen müsste, dass die Maxime, die besagt, der Deutsch und/oder Luxemburgisch Schreibende bliebe gezwungenermaßen im Mief seiner bäuerlich-kleinbürgerlichen, geistfernen Herkunft gefangen und nur der Frankophile und Frankophone sei imstande, sich der großen weiten Welt zu stellen, dass diese Maxime spätestens seit den frühen 1980er Jahren völlig abgelutscht ist und sich mit dem Erscheinen der ersten Romane von Guy Rewenig und Roger Manderscheid auf „Lëtzebuergesch“ erledigt hat.
Ein guter alter Freund, den ich mit besagtem Statement konfrontierte, meinte, es könne eigentlich nur von einem „grand con français“ getätigt worden sein, denn wer sonst würde sich wohl erlauben, von einem „petit Luxembourgeois“ zu sprechen? Nun, leider hat mein Freund Unrecht. Die realitätsfremde und wirklichkeitsverfälschende Aussage stammt von einem Luxemburger und ist obendrein ein Beleg dafür, dass die oft auch für Ausländer nur schwer erträgliche Arroganz „à la française“ nicht nur in Pariser Politiker- und Intellektuellenkreisen grassiert. Der Name des Urhebers: Frank Wilhelm, seines Zeichens Französisch-Professor an der Fakultät für Sprachwissenschaften und Literatur, Geisteswissenschaften, Kunst und Erziehungswissenschaften der Universität Luxemburg. Zudem firmiert Frank Wilhelm – und das macht seine Ansichten noch dubioser – als der für Luxemburg-spezifische Aspekte zuständige Direktor des Studiengangs „Master en études franco-allemandes: communication et coopération transfrontalières“ – eines Studiengangs übrigens, dessen Namen und detaillierter Beschreibung auch auf der deutschsprachigen Internetseite der Uni Luxemburg keine Übersetzung aus dem Französischen zuteil wird. Was muss man aus all dem schließen? Und was hindert uns daran, die Meinung, die Professor Wilhelm schon vor zehn Jahren erstmals zum Besten gab, einmal ausführlich zu diskutieren?

P. S.: Wann geben die Veranstalter eigentlich die Resultate des diesjährigen Nationalen Literaturwettbewerbs bekannt? Gesucht wurden/werden die besten Gedichtsammlungen, für die das nicht nur in Sachen Literatur lächerlich inkompetente Kulturministerium einen ersten Preis von lächerlichen 1.500 € und mehrere noch lächerlich geringer dotierte Neben- und Spezialpreise ausgelobt hat. Hat sich überhaupt jemand an dem Wettbewerb beteiligt? Wenn meine Erinnerungen mich nicht trügen, war von verschiedenen Seiten empfohlen worden, den einst angesehenen, inzwischen leider zu einer Farce degradierten Wettbewerb schlichtweg zu boykottieren, aus Protest gegen das unerträgliche, autoren-, buch- und literaturfeindliche Gehabe einzelner Entscheidungsträger in besagtem Ministerium.
© Georges Hausemer